ElektronikForum OWL: Praxisworkshop Modularisierung – ein Entwicklungsansatz für nachhaltige, ressourceneffiziente und zirkuläre Elektronik?

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Am 4. Juni 2024 im Fraunhofer IEM | IoT Xperience Center, Paderborn

Modularisierung ist eine Strategie, um Komplexitätskosten zu reduzieren, kundenindividuelle Produkte zu ermöglichen und Skaleneffekte in der gesamten Wertschöpfungskette zu erreichen. Dadurch können Produkte bzw. ganze Produktfamilien schneller und effizienter entwickelt, produziert und vermarket werden. Erreicht wird dies durch die Gliederung eines Produktes bzw. eines Produktportfolios in austauschbare Funktionsbausteine. Dabei erfüllt jedes Modul im System eine bestimmte Funktion und ist über standardisierte Schnittstellen mit den anderen Modulen des modularen Baukastensystems verbunden. Die Standardisierung der Schnittstellen garantiert dabei die Austauschbarkeit der unterschiedlichen Varianten eines Moduls. Dadurch ergibt sich ein flexibles System, in dem mit wenig Aufwand und einer überschaubaren Anzahl an Komponenten verschiedene Produktvarianten erstellt werden können. 

Warum lohnt es sich für Unternehmen auf Modularisierung zu setzen? Die Aufteilung eines komplexen Systems in unabhängige Module kann Wettbewerbsvorteile verschaffen, da dies die Fertigung und Logistik effizienter macht und zudem auf ein volatiles Marktumfeld mit geänderten Kundenansprüchen eingegangen werden kann. Modulare Systeme können die Lebensdauer von Produkten verlängern. Anstatt ein gesamtes Gerät zu entsorgen, können einzelne defekte Module ausgetauscht werden. Somit können Materialverbrauch und Abfallmenge erheblich reduziert und gleichzeitig Wiederverwendung sowie ein einfacheres Recycling ermöglicht werden. Module können nach ihrem Lebenszyklus zurückgegeben, aufgearbeitet und wiederverwendet werden. Bei technologischen Fortschritten oder veränderten Nutzerbedürfnissen können spezifische Module aktualisiert oder ausgetauscht werden, ohne das gesamte System ersetzen zu müssen. Durch Standardisierung von Modulen und Baugruppen können diese ressourceneffizient in großen Stückzahlen hergestellt werden. Effiziente Fertigungsprozesse und die Verwendung von recycelbaren Materialien tragen zusätzlich zur Ressourcenschonung bei. 

Vorgestellte Methoden zur Modularisierung waren unter anderem die funktionale Modularisierung, bei der Systeme in funktionale Einheiten aufgeteilt werden, die spezifische Aufgaben erfüllen. Die physische Modularisierung umfasst die physikalische Trennung von Komponenten und deren Integration über standardisierte Schnittstellen. Geeignete Schnittstellen werden durch die Analyse der Kommunikationsanforderungen zwischen den Modulen identifiziert, wobei funktionale und physische Verbindungen berücksichtigt werden. Es ist wichtig, Kompatibilität, Datentransferraten und Signaltypen zu beachten sowie die elektromechanischen Eigenschaften der Schnittstellen sicherzustellen.

Ein Referenzdesign ist eine standardisierte Vorlage oder Blaupause, die als Ausgangspunkt für die Entwicklung neuer Systeme oder Produkte dient. Es enthält bewährte Schaltungsdesigns, Layouts und Protokolle, die als BestPractice-Beispiele dienen. Ein Referenzdesign kann durch die Analyse existierender Systeme, die Zusammenarbeit mit Industriepartnern und die Nutzung standardisierter Designrichtlinien erarbeitet werden, um eine effiziente und fehlerfreie Entwicklung zu gewährleisten.

Basisfunktionsgruppen sind grundlegende Funktionseinheiten eines Systems, die wesentliche Aufgaben oder Prozesse innerhalb eines Moduls oder einer gesamten Struktur erfüllen. In der Elektrotechnik können dies beispielsweise Stromversorgungseinheiten, Signalverarbeitungsblöcke oder Kommunikationsmodule sein. Sie dienen als Bausteine, aus denen komplexere Systeme zusammengesetzt werden, und ermöglichen eine klare Strukturierung und einfache Erweiterbarkeit des Gesamtsystems.

Die Upgrade-Fähigkeit von Software und Hardware über Schnittstellen wird durch die Verwendung standardisierter und offener Schnittstellenprotokolle gewährleistet. Dies ermöglicht die nahtlose Integration neuer Komponenten und Softwareversionen. Zudem sollten Schnittstellen abwärtskompatibel gestaltet sein, um sicherzustellen, dass neue Upgrades auch mit älteren Systemen kompatibel sind. Eine klare Dokumentation und robuste Testprozesse sind ebenfalls entscheidend, um die Integrität und Funktionalität bei Upgrades zu gewährleisten. Diese Maßnahmen sorgen dafür, dass sowohl Hardware- als auch Software-Komponenten flexibel und zukunftssicher bleiben, wodurch die Anpassungsfähigkeit und Langlebigkeit von Systemen weiter erhöht werden. 

All diese Prozesse beinhalten Charakterelemente von frugaler Innovation und Zirkularität. Frugale Innovationen sind Produkte oder Dienstleistungen, die maßgeschneidert für eine spezifische, preissensitive Kundengruppe entwickelt werden. Sie sind funktional, robust, ressourcenschonend, nachhaltig, erschwinglich, einfach bedienbar, wartungsarm und dennoch technisch auf hohem Niveau.
 

Wie ist der Stand der Entwicklung?

Die Referenten Luca Twardzik, Dominik Hermelingmeier & Florian Pape vom Fraunhofer IEM stellten den gegenwärtigen Stand der gesetzlichen Vorgaben vor und gaben einen Überblick über die Ansätze zur Modularisierung in der Elektrotechnik. Dazu wurden sowohl BestPractice-Beispiele aus der Fahrzeug- und Mobilfunktechnik als auch aus dem Anlagenbau angeführt.

Dr.-Ing. Marc Hesse und Kevin Mika von der Universität Bielefeld stellten zunächst das Konsortium PCI Industrial Computer Manufacturers Group (PICMG) vor, welches aus über 220 Unternehmen besteht und gemeinsam patentfreie Spezifikationen für leistungsstarke Telekommunikations- und Industrieanwendungen erarbeitet. Dr.-Ing. Marc Hesse sprach über die Standards des PICMG und Kevin Mika präsentierte detailreich die 4. Generation des RECS-Systems (Resource Efficient Cluster Server).

Welche Erkenntnisse brachte der Workshop?
 

In den einzelnen Workshopgruppen fand ein reger Austausch statt. Kernthemen in allen Gruppen waren meist die gesetzlichen Regularien oder die Kostenfrage, aber auch interne Widerstände in Unternehmen auf Seiten von Entwicklerinnen oder Entwicklern oder dem Controlling wurden angesprochen. Darüber hinaus war man sich einig, dass es auch bei Kunden zu einer Änderung des Mindsets kommen müsse, da in letzter Konsequenz meistens der Preis anstatt von Qualität entscheidet. Modularität, Austauschbarkeit, Reparierbarkeit und Upgrade-Fähigkeit bedeuten häufig zusätzliche Kosten bei Planung, Material und Logistik. Wer mit guter Reparierbarkeit werbe, habe bei Kunden bereits verloren, konstatierte ein Teilnehmer.

Zusammenfassend war der Workshop für alle Beteiligten ein gewinnbringender Tag. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer zogen aus dem regen Austausch das Resümee, dass viele vor ähnlichen Herausforderungen auf allen Ebenen des wirtschaftlichen Prozesses stehen. Diese Herausforderungen können nicht allein durch technische Innovationen oder gesetzliche Vorgaben gelöst werden, sondern müssen als ganzheitliches gesellschaftspolitisches Konzept gedacht werden.

Referenten

  • Dominik Hermelingmeier, Jan Luca Twardzik & Florian Pape, Fraunhofer-Institut für Entwurfstechnik Mechatronik IEM, Systems Engineering, Paderborn
  • Dr.-Ing. Marc Hesse & Kevin Mika, Cognitronics & Sensor Systems Group, Center for Cognitive Interaction Technology (CITEC), Research Institute for Cognition and Robotics (CoR-Lab), Universität Bielefeld

Eine gemeinsame Veranstaltung von InnoZent OWL e.V., Mittelstand-Digital Zentrum Ruhr-OWL, Fraunhofer IEM, Universität Bielefeld, IHK Ostwestfalen zu Bielefeld, IHK Lippe zu Detmold, owl maschinenbau e. V., Wirtschaftsförderung Kreis Soest, Effizienzagentur NRW und CircularOWL im Rahmen des ElektronikForums OWL und des Projektes CE:FIRE zirkulär.frugal.regenerativ.

Das Projekt CE:FIRE zirkulär.frugal.regenerativ wird mit finanzieller Unterstützung der Europäischen Union und des Landes NRW durchgeführt.

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Ansprechpartner

Marcel Röhl

Projekt CE:FIRE - zirkulär.frugal.regenerativ 

Telefon: +49 5251 2055 - 914

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Ulrike Künnemann

Zirkuläre Wertschöpfung, Digitalisierung
Projektentwicklung

Telefon: +49 5251 2055 - 915

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