CO2 Bepreisung als Innovationstreiber
22.10.2020
Um den Klimawandel zu bekämpfen, fordert der Volkswagen-Chef Herbert Diess eine höhere CO2-Steuer in Deutschland. "Ich halte den Preis für zu niedrig. Ich wünsche mir weiterhin eine höhere CO2-Steuer von der Politik", sagte Diess auf dem diesjährigen Weltwirtschaftsforum in Davos. „In Schweden haben wir mehr als 100 Euro je Tonne und das funktioniert gut".
In den politischen Diskussionen ist der CO2-Preis hoch umstritten, obwohl er von den meisten Wirtschaftswissenschaftlern und sogar Teilen der Industrie als zentrale Klimaschutz-Maßnahme empfohlen wird – und europäische Nachbarländer diesen bereits erfolgreich eingeführt haben.
Im Rahmen einer Online-Veranstaltung am 22.10.2020 gab Prof. Dr. Uwe Leprich, Energieexperte an der Hochschule für Technik und Wirtschaft des Saarlandes einen fundierten Überblick über aktuelle Entwicklungen und Vorschläge.
Die Einführung einer CO2-Bepreisung in Deutschland ist ein Gradmesser für die Ernsthaftigkeit der Klimaschutzpolitik, keinesfalls aber das Königsinstrument zur Erreichung der Klimaschutzziele.
Eine der Herausforderung angemessene CO2-Bepreisung steht auf zwei Säulen: einem CO2-Mindestpreis für den ETS-Bereich und einem CO2-Aufschlag auf die bestehende Energiesteuer für den Nicht-ETS-Bereich.
Eine mögliche Ausweitung des Emissionshandels auf den Nicht-ETS-Bereich als theoretische Alternative zum CO2-Aufschlag ist bei nahezu allen wesentlichen Bewertungskriterien unterlegen, insbesondere im Hinblick auf einen raschen Handlungsbedarf.
Eine CO2-Bepreisung bildet die ökonomische Basis für einen umfassenden Instrumentenmix, der zur Erreichung einer Verkehrs- und einer Wärmewende notwendig ist. Außerdem unterstützt sie den bereits beschlossenen Kohleausstieg und fördert den Ausbau einer Circular Economy.
Es ist von einem einheitlichen CO2-Preis für alle Sektoren und Bereiche auszugehen. Dieser sollte bei mindestens 50 €/t in 2020 beginnen und auf 100 €/t bis 2030 bei absehbarer Erreichung der Klimaziele ansteigen, anderenfalls auf 130 €/t.
Solange das Steuer-/Abgabensystem nicht grundlegend verändert wird, ist von einer Aufkommensneutralität der vorgeschlagenen CO2-Bepreisung auszugehen, d.h. das Aufkommen dient nicht dem Stopfen von sonstigen Haushaltslöchern.
Die Rückerstattung für den ETS-Bereich (Industrie) sollte branchenbezogen erfolgen, für den Nicht-ETS-Bereich Industrie sowie für den GHD-Bereich sollte eine pauschale Kompensation erfolgen; hier bieten sich zwei Optionen an: a) eine Strompreisentlastung durch Senkung von Steuern und Abgaben auf Strom, b) die Absenkung der Arbeitgeberbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung. Beide Optionen lassen sich auch kombinieren.
Die Rückerstattung für die privaten Haushalte sollte aus einer Kombination von Strom-preisentlastung und Pro-Kopf-Rückerstattung („Klimaprämie“) erfolgen.
Zusätzlich sind Härtefälle im Bereich der privaten Haushalte (Pendler mit langen Arbeitswegen, Mieter in schlecht sanierten Mietgebäuden, Rentner mit niedrigen Renten in eigenen Altbauten, etc.) finanziell abzufedern.
In einem nächsten Schritt wäre über eine Bepreisung der CH4- (Methan-) und N2O- (Lachgas-) Emissionen insbesondere für die Bereiche Landwirtschaft und Müll zu befinden.
Quelle:
Prof. Dr. Uwe Leprich, E&E Consult GbR, mit Ergänzungen von Florian Zerzawy und Swantje Fiedler unter Mitarbeit von Paul Butschbacher, Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS),
Umsetzung einer wirtschaftsfreundlichen CO2-Bepreisung in Deutschland für den ETS- und den Nicht-ETS-Bereich, Oktober 2019
Sechs Vertreter aus Wirtschaft und Politik verdeutlichten im Rahmen einer Podiumsdiskussion, worauf es ihnen bei einer Umsetzung ankommt:
Jürgen Behlke, Leiter der Zweigstelle Paderborn + Höxter, IHK Ostwestfalen zu Bielefeld:
Die IHK befürwortet grundsätzlich eine CO2 Bepreisung, da sie dazu beiträgt, die Klimaziele der EU zu erreichen.
Neue Instrumente zur CO2 Bepreisung sollten sich insbesondere an betrieblichen Erfahrungen und Herausforderungen der Unternehmen orientieren. So sollten die Aktivitäten auf europäischer Ebene harmonisiert sowie mit vorhandenen politischen Instrumenten abgestimmt werden. Unternehmen müssen an anderen Stellen entlastet werden, vor bürokratischen Mehrbelastungen geschützt werden und sie sollten einen ausreichenden zeitlichen Vorlauf erhalten.
Peter Gödde, Hauptgeschäftsführer, Kreishandwerkerschaft Paderborn-Lippe:
Der Mechanismus der CO2 Bepreisung ist grundsätzlich als positiv einzuschätzen. Entscheidend ist, ob es tatsächlich zu den vorgeschlagenen Rückerstattungen in den einzelnen Sektoren kommt und es gelingt, den Faktor Arbeit zu entlasten und damit zukünftig wettbewerbsfähig zu halten. Für die Unternehmen ist ein vertretbarer bürokratischer Aufwand von entscheidender Bedeutung. Der CO2 Preis kann nicht isoliert von anderen Mechanismen betrachtet werden, die ebenfalls auf den Prüfstand gehören.
Joachim Goldbeck, Geschäftsführer, Goldbeck Solar GmbH, Hirschberg:
Im ersten Schritt soll wissenschaftlich ein Preispfad für CO2 ermittelt und als Referenz verankert werden, der zur Erreichung der CO2 Einsparziele führt. Dann soll dem Markt freien Lauf gelassen werden. Voraussetzung ist ein Carbon Border Adjustment, damit deutsche Unternehmen in Zukunft nicht benachteiligt werden. Wichtiger als die Höhe eines CO2 Preises ist dessen Transparenz und die Schaffung gleicher Bedingungen für alle Branchen insbesondere auch als Grundlage für Investitionssicherheit. Wünschenswert wäre, dass Europa hier eine Führungsrolle einnimmt und ein System etabliert, an das sich andere Länder leicht anschließen können. Interessant wäre sicherlich auch, über eine CO2 Bepreisung direkt am Produktionsstandort nachzudenken.
Thomas Köster, Konrad Adenauer Stiftung, Berlin:
Preise müssen hinreichend hoch sein, um eine Lenkungswirkung zu erzielen und Pfadabhängigkeiten zu durchbrechen. Steuern vertragen sich mit den Prinzipien einer sozialen Marktwirtschaft. Voraussetzung ist jedoch der soziale Ausgleich. Insgesamt muss der Energiemarkt auf den Prüfstand gestellt werden. Deutschland muss ein schlüssiges Konzept vorlegen und als Industriestandort eine Vorreiterrolle übernehmen.
Johannes Lackmann, Geschäftsführer WestfalenWIND GmbH, Paderborn:
Ein CO2 Preis ist ein sinnvoller Bestandteil einer Marktordnung, vorausgesetzt er bleibt ein Lenkungsinstrument und wird nicht als Finanzierungsinstrument zweckentfremdet. Fehlende Preise werden häufig mit Subventionen an anderen Stellen kompensiert. Das Gutachten von Prof. Leprich zeigt auf, dass die CO2 Bepreisung solide durchgerechnet wurde.
Klaus Meyer, VDI OWL e.V., Geschäftsführer Energie Impuls OWL e.V./CirQuality OWL, Bielefeld:
Eingefahrene Routinen müssen überwunden und neue Prioritäten beim Handeln vereinfacht werden. Eine CO2 Bepreisung führt dann zur Steuerung eines nachhaltigen (Konsum-) Verhaltens, wenn die im Einzelnen nur recht kleinen Kosteneffekte durch Geschäftsmodelle aggregiert und in Routinen übersetzt werden. Weil die CO2-Bepreisung endlich auch die bereits vor Nutzungsbeginn entstandenen Emissionen bewertet, gibt das der der Circular Economy wesentlichen Schub.
Moderation: Ulrike Künnemann, InnoZent OWL e.V.,
unterstützt durch Friederike David & Simon Becker, VDI – Verein Deutscher Ingenieure Ostwestfalen-Lippe e.V.
Text: Ulrike Künnemann, InnoZent OWL e.V.
Eine gemeinsame Veranstaltung von InnoZent OWL e.V., der VerbundVolksbank OWL eG, Energie Impuls OWL e.V. und dem VDI – Verein Deutscher Ingenieure Ostwestfalen-Lippe e.V. im Rahmen von CirQuality OWL.